Wirtshaussterben in Ensdorf IV

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Die 90-er Jahre waren von einem großen Wechsel in der Wirtshauskultur der Gemeinde geprägt. Manche Gasthäuser schlossen, andere eröffneten neu. Doch insgesamt setzte sich das Wirtshaussterben fort.

Nachdem traurigerweise das Gasthaus „Zur Post“ 1989 geschlossen hatte, freuten sich alle, dass Michael und Wally Dechant am 23. Februar 1990 in der Schwandorfer Straße in Ensdorf den gemütlichen „Vilsthaler Hof“ mit „Wally’s Weinstube“, Biergarten und exklusiven Fremdenzimmern eröffneten. Im Nebenzimmer konnten Veranstaltungen durchgeführt werden. Doch neuerdings ist der Gasthof geschlossen. „Ob und wann wir wieder öffnen, ist unsicher“, erklärte Michael Dechant auf Nachfrage der „Mittelbayerischen Zeitung“.

Der nächste Schlag für die Ensdorfer Wirtshausgänger ließ nicht lange auf sich warten: Am 1. März 1992 schloss die letzte Pächterin Eva Baierl das „Bierstüberl Trettenbach“. Zuvor hatten die Wirtschaft seit den 70-er Jahren u. a. Anni Wolf, Angela Boos und Ferdl Bauer betrieben. Generationen hatten sich dort zu Geselligkeit, Gerstensaft und Spiel eingefunden. Da spielte die Musikbox. Da wurde gekartelt, genagelt und  „bis zur Vergasung“  geknobelt, Kicker gespielt. „D’ Stoanern“ und „D’ Gläsernen“ hatten ihren Stammtisch. Einmal wurde sogar im engen Hof von Kirwaburschen ein Kirwabaum aufgestellt.

Dann kam wieder ein weiterer Rückschlag: Am 14. Dezember 1997 schloss mit dem Gasthaus „Zur Brücke“ in Wolfsbach eine weiteres Traditionswirtschaft. Von 1960 bis1987 war die heute 87-jährige „Schlosser Res“ Wirtin. „Unterm Tog wor ja niat viel los, aber abends dafür scho“, erinnert sie sich. „Gäst’ ham ma viel aus Wolschba (Wolfsbach) g’habt, aber a viel von auswärts, vor allem vo Theuern. A poar worn immer dou. G’rauft is a woarn, ober niat so viel. Wia hat d’ Mannsbilder so macha! Damals woar halt ’s Wirtshaus nu a Treffpunkt. Nach da Oarbat san viel’ zum Dämmerschopp’n kumma. Des gibt’s heit nur mehr selt’n. Im Winter san viel’ Stemplerer kumma. Und jeder vo meine Gäst’ hot sein Stammplatz g’habt und sei Stammglasl oder –krügl. Ruhetog ham mir niat kennt, jeden Tog wor ’s Wirtshaus offa. Allerweltskirwa woar dann immer wos ganz b’sonders!“ Viele Stammgäste und Stammtische hatte die Schlosser Res’, ältere und jüngere. Die haben Schafkopf oder Watten g’spielt oder knobelt. Und Tochter Ingrid Reinhardt erinnert sich: Am Heiligen Abend ham mir ‚nur’ bis 18 Uhr offen g’habt, sonst immer bis zur Sperrstund’. Manchmal is mei Mama, d’ Wirtin, a eingschlaf’n. Dann ham sich die Gäst’ halt ihr Bier selber eing’schenkt.“ Die „Ruhezeit“ des Gasthauses „Zur Brücke“ dauerte Gott sei Dank nicht lange. Nach Umbau eröffneten die Wolfsbacher Edelweißschützen schon am 1. September 1998 das Wirtshaus als „Schützenheim Wolfsbach“ wieder. Derzeit kann man es aber kaum als Wirtshaus bezeichnen. Es hat nur am Freitag für den Schießbetrieb ab 17 bzw. 18 Uhr geöffnet, am Sonntag zum Frühschoppen und nachmittags wieder ab 17 bzw. 18 Uhr.    

Dann ein erneuter Lichtblick: Georg Grosser eröffnet am 22. Juli 1998 in Ensdorf das „Cafe Asam“ in der Hauptstraße. Seither ist es werktags von 6 bis 18 Uhr geöffnet, samstags von 6 bis 12 und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Frische Brote und Brötchen (auch belegt), leckere Kuchen und Torten gibt es da, aber auch manche „Kleinigkeiten“ für den kleinen Appetit zwischendurch oder „Handfestes“ zum Mittagessen. Nur einmal in der Woche hat das „Asam“ geschlossen: Im Quartalwechsel am Montag oder am Mittwoch.

Doch Schlag auf Schlag. Plötzlich hieß es in Wolfsbach: „D’ Gertl macht’s nimmer! Das Gasthaus Dirmeyer macht zu!“ Das war im April des Jahres 1999. Seit 1903 war das Wirtshaus im Familienbesitz, denn da hatte es der Großvater Franz-Xaver Winkelmeier gekauft. „Bis 1967/68 fuhr der Vater, Land- und Gastwirt Peter Dirmeyer, mit seinem Pferdegespann noch einmal in der Woche nach Amberg, um den edlen Gerstensaft für seine durstigen Gäste höchstpersönlich von der Brauerei zu holen. Alle Fahrten verliefen unfallfrei, wenngleich manchmal die Rösser den Heimweg selbst finden mussten. Bei der „Gertl“ waren bis zuletzt die Edelweißschützen beheimatet, hatten dort ihren Schießstand. Auch die Freiwillige Feuerwehr Wolfsbach war Stammgast. Rauschende Faschingsbälle wurden im Gasthaus Dirmeyer abgehalten. In den 50-er Jahren hatte Vater Peter Dirmeyer gar Faschingsumzüge in dem damals noch kleinen Dorf an der Vils organisiert.

1999 wurde Seulohe „wirtshauslose“ Ortschaft, denn das Gasthaus „Zum roten Hirsch“ der Familie Wiedenbauer schloss Ende September seine Pforten.

Und am selben Tag gab es gleich noch ein „Aus“. Seit Jahrhunderten gab es den „Bruckhierl“, die Gastwirtschaft Josef Schmidt in der Hauptstraße  in Ensdorf. Das Haus stammte wohl aus dem Jahr 1670, hatte in Ensdorf gar die Hausnummer 1. Sechs Generationen war die Wirtschaft im Familienbesitz der Schmidts, wurde im Jahr 2000 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Die letzte Wirtin, Maria Schmidt, kam vor 60 Jahren nach Ensdorf und war 50 Jahre Wirtin. „Aus Altersgründen mit 70 habe ich dicht gemacht. Mein Mann Josef, ein gelernter Bäcker und im Krieg Koch in der Feldküche, starb im Januar 1985, mein Sohn Josef 1997. Meine Tochter Roswitha ist Erzieherin und konnte das Wirtshaus nicht betreiben. Wir hatten ein sauberes Wirtshaus. Und liebe Gäste. Es war schön, aber einmal muss Schluss sein.“ Berühmt waren die Enten- und Fischpartien beim „Bruckhierl“. Ausgekocht wurde auch auf Bestellung zu Feiern und Festen. „Nach der Kirch’ am Sonntag waren die Stammtischler da zum Kartenspielen. Spätestens um 12 Uhr warfen sie die Karten hin und gingen zum Essen nachhaus. Abends aber gings mit dem Karteln oft bis in die Morgenstunden weiter“, weiß Maria Schmidt zu berichten. „Musikanten kamen oft, auch die Feuerwehrler, und schafkopften bis in die sinkende Nacht. Einmal brachte eine Ehefrau für ihren Mann gar den Schlafanzug. Des wor dann schon heftig!“ Einmal hat die Wirtin einem Gast Hausverbot erteilt und ihn, als er nicht gehen wollte, samt dem Stuhl vor die Tür gesetzt. Und an noch etwas erinnert sie sich ganz genau. An die Hochwasserkatastrophe vom 1. auf den 2. Juli 1987 als das Wasser 1,60 Meter hoch in der Wirtsstube stand. Ferner als einmal ein Panzer ins Haus gefahren ist. „Des aber scho lang’ her. Die alt’n Mauern ham ’s ausg’halt’n.“

Tochter Roswitha über den Neubau: „Ich  bin froh und glücklich, wie es jetzt ist. In dem Neubau lebt sich ganz anders als in dem alten Bruchsteingemäuer.“ Sie erinnert sich daran, dass im Wirtshaus viele alte Lieder gesungen wurden, vom früheren Bürgermeister Josef Sperl oder „vom alten Vielberth Michl“.