Glücklich g’lebt und selig g’storbn

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

„Am best’n friedli einschloufa und selig tot afwacha!“ Dies war einer der Sprüche, den Josef Schmaußer aus Hohenkemnath, Heimatpfleger der Gemeinde Ursensollen, bei einem heimatkundlichen Vortrag im Pfarrsaal zum Besten gab. Dazu hatte der Pfarrgemeinderat, Ausschuss Soziales, mit Maria Leikam Seniorinnen und Senioren unter dem Motto „Glücklich g’lebt und selig g’storbn“ eingeladen. Thema war also das Totenbrauchtum.

Der Pfarrsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Anwesenden war auch Bürgermeister Markus Dollacker. Josef Leikam umrahmter den Nachmittag musikalisch auf seinem Akkordeon. Schmaußer weckte viele Erinnerungen an einstige Totenbrauchtümer und erzählte Tragisches, Hintergründiges aber auch Humorvolles über das Sterben. Die Senioren trugen eigene Erlebnisse zum Brauchtum um Allerheiligen und bäuerliche Arbeiten am Ende des Jahres bei.

„Die Zeit vergeht, und mir vergenga a“ erklärte zu Beginn der Heimatpfleger fest und stellte wichtigste Namenstage im November mit ihren Attributen und Legenden vor. „Über den Hl. Hubertus über das ‚heilige Madl Katharina’, die Heiligen Leonhard, Albertus Magnus und Korbinian und den Heiligen Elisabeth, Margareta, Barbara und Cäcilia bis zum hl. Apostel Andreas sind im November viele Namenstage lebendig geblieben“, so Schmaußer. Der Spruch „St. Martin ist ein harter Mann, für den, der nicht bezahlen kann!“, erinnert an die Zeit, als der 11. November noch ein wichtiger Zinstag war. „Die hörigen Bauern mussten Abgaben an den Lehensherrn, nicht selten eine Gans, bezahlen. Eine schöne Szene aus dem Film ‚Die Heiden von Kummerow’ erinnert an dieses Geschehen. In unserer Heimat bezahlte der Bauer an seine Dienstboten das sogenannte ‚Drangeld’, fünf Reichsmark, wie eine anwesende ehemalige Magd noch wusste. Nahm die Magd oder der Knecht das Geld an, dann war dies ein Versprechen, über den Lichtmesstag (2. Februar) auf dem Hof zu bleiben. Für die ‚Ehehalten’ (Dienstboten) und den Bauern eine gewisse Sicherheit, gute Leute zu halten, bzw. einen guten Arbeitsplatz zu sichern“, berichtete Schmaußer

Heimatpfleger Schmaußer ging vor allem auch auf die Attribute (Beigaben) ein, an denen die Heiligen für die Bevölkerung zu erkennen sind. Die Künstler der Barock- und Rokokozeit zeichneten sich hier besonders aus, waren vor dem 19. Jahrhundert doch die meisten Menschen des Lesens unkundig.

Anschließend standen die Feste Allerheiligen/Allerseelen im Mittelpunkt des Vortrags. Viele Bräuche ranken sich um diese stillen Tage. Die Kirche hat nicht von ungefähr das Gedenken an die Verstorbenen in diese ruhige Zeit gelegt. Der Heimatpfleger wusste viel Interessantes, Hintergründiges, Tragisches, aber auch Humorvolles über früheres und noch aktuelles Totenbrauchtum aus dem südwestlichen Landkreis zu erzählen. Er ging bei seinen Beiträgen auch immer wieder auf die Unterschiede im Brauchtum in überwiegend katholischen, bzw. evangelischen Gebieten ein. Die Allerseelenspitzel erinnern an die „Armen Seelen“. Es herrschte der Glaube, dass man mit großzügiger Almosenvergabe an Arme und Schwache den eigenen verstorbenen Verwandten ein paar „Stufen zum Himmel“ bauen könne. In den evangelischen Gebieten schenkt der Taufpate seinem Patenkind bis zur Schulentlassung jährlich ein Spitzel. In den katholischen Gebieten ist es der Firmpate, der seinem Firmling drei Jahre ein großes Spitzel schenkt. Der Beschenkte dankt mit einem „Vergelt’s Gott!“ und dem Zusatz „...für die Armen Seelen“. Das letzte überdimensionale Spitzel erhält das Patenkind dann bei der Hochzeit als „Spießwecken“.

Erklärt wurden auch Redewendungen wie u.a. „Jetzt is er vom Stangerl g’fallen“  und „Der is auch schon über’s Brettl g’rutscht“. „Um die zweite Redewendung zu verstehen, muss man weit in der Zeit zurückgreifen. Erst um das Jahr 1800 wurden auf dem Lande bei den Beerdigungen Särge  gebräuchlich. Früher grub man die Leiche, so wie sie war, ein.  Dazwischen aber liegt eine Zeit, da waren an vielen Orten sogenannte ‚Ausschütt-Truhen’ üblich. Diese waren Vorläufer von Särgen, die im Eigentum der Kirche standen und für die Bestattungen leihweise überlassen wurden. Der Deckel dieser Truhen hing in Angeln. Am Grabe wurde der Deckel aufgeschlagen und die Leiche in das Grab ‚geschüttet’: man ließ den Toten in die Grube rutschen.“

Josef Schmaußer gelang der Spagat zwischen der Ernsthaftigkeit des Themas und dem „Galgenhumor“, der eine Beerdigung oft umgibt. Er gab viele Bräuche aber auch  Redewendungen aus seiner umfangreichen Sammlung zum Besten. („Da Tod pfuscht an jedem ins Handwerk“, „Jetz’ hat die arme Seel’ a Ruah!“. Nirgands wird so viel g’logn wia bei ana Hochzeit und ana Leich!“). Zum Schluss des abwechslungsreichen Nachmittags hieß es aber: „Über’s Sterb’n red’n, is nu lang niat g’storbn“ oder „Das Sterben heb’ ich mir bis zuletzt auf!“