Erster interreligiöser Gesprächsabend im Kloster Ensdorf

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Im Rahmen der interreligiösen Photo-Ausstellung, die derzeit bis zum 5. Februar im Kloster zu sehen ist, hat am Donnerstag der erste Gesprächsabend mit „Anders-Gläubigen“ stattgefunden.

 

„Nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch, ja lebendig soll diese interreligiöse Begegnung in den nächsten vier Wochen stattfinden, eben nicht nur mit Photos verschiedenster spiritueller und multi-religiöser Erfahrungen, sondern ganz live im persönlichen Erfahrungsaustausch Miteinander“, so Pater Alfred Lindner, der die Gesprächsabende organisiert und leitet.

Robert Rojzmann vom Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde in Amberg gab in seinem persönlichen Impuls für diesen Abend am Anfang einige intensive Stichworte.

So erzählte er davon, dass sein jüdischer Glaube keine missionarische Aufgabe verspüre. Jeder Jude sei über seine Mutter von Geburt an Jude, nicht über den Vater. Selbst wenn er eine andere Religion annehmen würde, er würde immer ein Jude bleiben. Von dieser eher ausgleichenden Einstellung her sei das Judentum eine sehr tolerante Lebenseinstellung und Religion.

Immer stehe der Mensch im Mittelpunkt und nicht irgendein Gesetz. Wenn einem Menschen geholfen werden könnte, dann dürfte sogar der Sabbat übertreten werden, obwohl gerade dieses wöchentliche Feiertags-Gebot sicher das wichtigste Gebot im Judentum darstellt, da nach dem jüdischen Glauben eben schon der allmächtige Schöpfergott selber am Sabbat-Tag geruht hat.

Eine große Verbundenheit besteht zum Christentum und zum Islam über den Ur-Vater Abraham. Dieser große Prophet aus dem zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung ist zum gemeinsamen Vorbild aller drei abrahamitischen Weltreligionen geworden. Abraham war der erste, der Abschied nahm vom Viel-Götter-Glauben seiner sumerischen Heimat.

„Er spürte eine Unzufriedenheit über die religiöse Vielfalt seiner Zeitgenossen und zog weg aus seinem ursprünglichen Vaterland, hinaus in die Fremde, hinaus in ein fernes Land, in das ihn und seine Familie sein neuer alleiniger Schöpfer- und Sternen-Gott führen sollte“ erklärte Rojzman. „Das ist der allherschende Eingott-Glaube, der eine schöne Einheit im Glauben zwischen Juden und Christen darstellt. Gott ist der Hüter und Hirte für jeden Menschen und so ist aus der Gotteserfahrung von Abraham auch das allgemeine jüdisch-christliche Menschenbild mit seiner unübertroffenen Würde und beispielhaften göttlichen Symbolkraft entstanden.“

Wie in allen Religionen, so gibt es auch im Judentum verschiedene religiöse Strömungen, die sich in einer orthodoxen Auffassung wie in der Synagoge in Amberg mit ihren 140 Mitgliedern niederschlägt – oder eben in einer eher liberaleren wie in der jüdischen Gemeinde in Weiden. In Amberg werde man sich deswegen z.B. eine Rabbinerin nicht vorstellen können, während in einer liberaleren Auffassung dies kein Problem darstellt. Herr Rojzmann sprach auch von der großen Hoffnung seiner Gemeinde in Amberg, dass sie bald einen eigenen Rabbi und religiösen Gemeindeleiter begrüßen könne, obwohl sie nur eine kleine Gemeinde sei.

Aus der Diskussion heraus ergaben sich einige Fragen und Anliegen, die sich in einem Schwerpunkt um die politische Einstellung rankten. Dadurch ging allen Beteiligten an diesem Abend auf, dass der Staat Israel und die jüdische Religion nicht in einen Topf geworfen werden dürfen. Wenn z.B. der politische Staat Israel ohne Rücksicht immer wieder neue Siedlungen im Palästinensergebiet errichtet, dann ist diese Absicht nicht unbedingt auch ein Bestandteil der jüdischen Religion. Es gilt also, deutlich zu unterscheiden, zwischen religiösen und gesellschaftlichen Ansichten. Sonst besteht die große Gefahr, aus den fast täglichen verwirrenden Fernsehnachrichten aus dem nahen Osten ein völlig falsches Bild vom Judentum zu bekommen. Weitere Themen waren die jüdischen Festtage, Speisenvorschriften, was kommt nach dem Tod? 

Bei allen Talk-Gästen an diesem interreligiösen Gesprächsabend im Kloster Ensdorf wurde so die Überzeugung sichtbar, dass diese anspruchsvolle interkulturelle Begegnung unserer modernen Zeit heute sehr angemessen ist, da wir alle in einer multi-religiösen Welt leben, auch in der Oberpfalz.

„Schon vor genau 50 Jahren – heuer feiern wir ja den Beginn des zweiten vatikanischen Konzils in Rom vor einem halben Jahrhundert – hat sich diese befreiende und so wichtige Meinung auch innerhalb der katholischen Kirche durchgesetzt: dass nämlich die Religionsfreiheit und die Gewissensfreiheit zu den höchsten Werten eines christlich-jüdischen Menschenbildes gehört“, betonte Pater Lindner. „Die interreligiösen Friedens-Gebets-Treffen in Assisi durch die beiden Päpste Johannes Paul II. - die Juden sind unsere ersten Brüder - und von Papst Benedikt zeigen diese historisch-neue Erkenntnis nach einem langen kirchlichen Prozess dankenswerterweise in einer sehr erfreulichen Weise auf.“

Die Runde war sich an diesem Abend zusammen mit Herrn Rojzmann von der israelitischen Kultusgemeinde in Amberg einig, von dieser interreligiösen Motivation her sich gegen alle einseitigen, ja fanatischen Einstellungen zu wehren. Die große interreligiöse Verbundenheit in der so genannten „Goldenen Regel“ - was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu – ist eine sehr gute Voraussetzung, gegen alle rechtsradikalen Äußerungen ein Contra zu setzen und gegen alle rassistischen Einstellungen vorzugehen, ja sich bewusst einzumischen, damit sich solche terroristischen Ereignisse und tödliche Formen extremer Ausländerfeindlichkeit wie in den letzten Jahren mitten bei uns in Deutschland geschehen - in Zukunft sich nicht weiter ereignen können, weil sich immer mehr Bürger mit großer Zivilcourage und Phantasie mutig trauen, sich einem solchen gewalttätigem Treiben entgegensetzen, bis in die eigene Familie hinein. Judentum und Christentum kämpfen zusammen an vorderster Front für den Frieden, das wurde klar.

Die Vorschriften bei der jüdischen Speisetafel sind auch Ausdruck einer großen Beachtung der Hygiene im Hausalltag. Das Essen soll frisch und sauber und gesund bleiben, gerade in dem schwierigen Umfeld in den heißen Wüsten-Gegenden Israels. Über Jahrhunderte hinweg haben sich dadurch ganz bestimmte jüdische Standards eines vernünftigen und gesunden Umgangs mit den betreffenden Lebensmitteln ergeben. Und sie werden immer wieder in vernünftiger Weise den neuen Erfahrungen der jeweiligen Zeit angeglichen.

Gesprächsleiter Pater Lindner zeigte am Schluss kurz auf einen möglichen roten Faden und eine eventuelle Spur in die Zukunft hin. Dass nämlich die dreimalige Reihe dieser interreligiösen Gesprächsabende im Januar nach Ende dieser derzeit laufenden spannenden Photo-Ausstellung mit 30 spirituellen Bildern im Kloster nicht total enden müsse. „Es kommt auf das ehrliche Echo in den nächsten vier Wochen an, aus der Öffentlichkeit, von den verschiedensten Gruppen in den vielen bunten Pfarreien um Amberg, von Einzelpersonen, von dem Kontakt mit den vielen Schulklassen und den begleitenden Religionslehrern im Jugendhaus der Begegnung im Kloster selber. Vielleicht ergibt sich so noch in diesem Jahr 2012 dann ein Abend mit einem allerersten Gespräch aller Religionsvertreter, die in diesen Wochen im Haus vertreten sind, zusammen im Kloster Ensdorf.“

Was ist den abrahamitischen Religionen also wirklich gemeinsam, was ist nur ähnlich – und was ist mit aller Ehrlichkeit ganz unterschiedlich? Könnten Themen und Fragen sein. „Es soll ja nicht die Gefahr bestehen, aus lauter falsch verstandener Toleranz oder gut gemeinten gesellschaftlicher Rücksichtnahme oder einfach naiver „political correctness“ die religiösen Erfahrungen und Anliegen verantwortungslos und eben gefühllos zu vermischen.

Rojzmann bedankte sich für die Einladung ins Kloster und für das Geschenk des Kloster-Honigs, ein schöner Hinweis, dass alle Gott-Gläubigen in tiefster Verbundenheit mit aller religiösen Sehnsucht und tiefster Hoffnung und innigem Glauben in das von Gott dem Abraham versprochene Land ziehen wollen, das von Milch und Honig fließt, wie es ja so trefflich in der Bibel heißt.

Er lud alle Interessierten zu einer möglichen Sonderführung in die Synagoge nach Amberg ein, damit das gegenseitige Kennenlernen und die Sympathie füreinander noch mehr wachsen könne.

Der nächste interreligiöse Gesprächsabend findet am kommenden Donnerstag um 19.30 Uhr im Kloster Ensdorf statt. Dann heißt es „Christen und Buddhisten im Gespräch“ mit Sasi Lama aus Rheinfelden bei Basel in Zusammenarbeit mit dem Verein „Licht für Tibet“ aus Sulzbach-Rosenberg.