Nachhaltig gut gekleidet

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

„Textilien sind unsere täglichen Begleiter. Etwa 18 Kilogramm Bekleidungstextilien kauft jede(r) Deutsche durchschnittlich pro Jahr“, berichtete Stefanie Ertl, Umweltberaterin beim VerbraucherService Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund e.V. bei ihrem Vortrag „Nachhaltig gut gekleidet. Voll im Trend oder schief gewickelt“ im Pfarrsaal.

Kleidung erfülle nicht nur ein zentrales Grundbedürfnis, sondern sei auch ein Mittel zur Selbstdarstellung.  Mode ändere sich, es kämen immer wieder neue Formen, Farben und Stoffe auf den Markt. „Beim Kauf neuer Kleidungsstücke spielen aktuelle Trends eine wichtige Rolle, dagegen bleiben gesundheitliche, ökologische und soziale Aspekte bei der Kaufentscheidung oft unberücksichtigt“, so die Referentin.

Viel, schnell und billig – nach dieser Devise werden weltweit Hosen, Schuhe und T-Shirts hergestellt. Seit den 1970er Jahren sind Millionen Arbeitsplätze der arbeitsintensiven Produktion von Bekleidung von Industrieländern in Entwicklungsländer verlagert worden. Unbezahlte Überstunden bei Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden und fehlender Gesundheitsschutz sind üblich, ebenso mangelhafte  Sicherheitsvorkehrungen, Kinderarbeit und Diskriminierung von Arbeiterinnen. Der vielerorts staatlich festgelegte Mindestlohn reicht oft nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken. Seit etwa 20 Jahren prangert die Kampagne für saubere  Kleidung die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Kleidung und Sportartikeln an und motiviert Konsumenten, die Herstellung kritisch zu hinterfragen und sich für „fair“ produzierte Kleidung zu entscheiden.

„Die Textilproduktion geht auch zulasten der Umwelt“, betonte Ertl. Die Frage, ob Chemie- oder Naturfasern aus ökologischer Sicht zu bevorzugen sind, sei nicht eindeutig zu beantworten. Naturfasern hätten den Vorteil, dass sie viel Feuchtigkeit aufnehmen können und sich nicht elektrostatisch aufladen. Zu begrüßen sei, dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Allerdings würden beispielsweise beim konventionellen Baumwollanbau große Mengen an Pestiziden eingesetzt. „Zudem ist 100 Prozent Baumwolle nicht gleich 100 Prozent Natur, denn  auch Naturfasern werden mit Chemikalien behandelt, um ihnen Eigenschaftenn wie ‚knitterfrei’ oder ‚pflegeleicht’ zu verleihen.“ Bei so genannten Chemiefasern werden im Laufe der Produktion zahlreiche chemische Stoffe eingesetzt und große Mengen an Wasser und Energie verbraucht. „Die viel gepriesene Haltbarkeit von Synthetics stellt bei der Entsorgung ein Problem dar“, gab die Referentin zu bedenken.

„Jede(r) kann verantwortungsvoll mit Textilien umgehen. Wichtige Aspekte für Nachhaltigkeit sind die Menge und Langlebigkeit“, betonte die Umweltberaterin.  „Schnelle Schnäppchen entpuppen sich nicht selten als Fehlkauf. Da die Nachfrage das Angebot schafft. Konsumenten können mit dem Kauf ‚nachhaltig’ produzierter Textilien zu einem Wandel beitragen.“ Eine Orientierungshilfe beim Kauf geben

Gütezeichen. Allerdings beurteilen die meisten Label vor allem, ob unsere zweite Haut giftfrei und gesundheitsverträglich ist. Unter welchen sozialen Bedingungen die Beschäftigten die Textilien fertigen, wird nur bei wenigen berücksichtigt. „Wir können gesundheitliche Belastungen minimieren, indem sie ‚mit der Nase’ kaufen und Hinweise wie z.B. ‚bügelfrei’ oder ‚sanitized’ beachten“, empfahl die Referentin. Angaben wie „separat waschen“ deuten darauf hin, dass die Textilien nicht farbecht sind. Generell sollten Textilien vor dem ersten Gebrauch gewaschen werden, um überschüssige Hilfsmittel und schwach gebundene Farbstoffe zu beseitigen.

„Es muss auch nicht immer neue Ware sein. Gut erhaltene Kleidungsstücke sind auf Flohmärkten, in Secondhand-Läden oder auf speziellen Basaren wie z.B. für Baby- und Kinderkleidung erhältlich“, gab Stefanie Ertl zu bedenken. Bei  Altkleidersammlungen empfahl sie, sich vor der Kleiderspende zu informieren, ob die Sammelaktion wirklich seriös ist. Auch Kleiderkammern von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden nehmen gut erhaltene Kleidung für Bedürftige an.

Die Aussage, dass im Durchschnitt jeder Bürger und jede Bürgerin in Deutschland für sieben bis zehn Jahre ohne Einkauf von neuer Kleidung über die Runden kommen würde, ließ die Zuhörerinnen staunen. Es blieben auch Antworten offen, z.B. was geschieht mit dem Überfluss von Bekleidung der jeweiligen Saison.