„Best of“-Auswahl der „4 Unverdorbenen“

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

In Bestform präsentierte sich die „Haus-Band“ des Kunstvereins Unverdorben aus Neunburg mit Sänger und Bassist Jürgen Zach, Gitarrist Klaus Götze und Franz Schöberl mit dem Akkordeon. Rezitator Karl Stumpfi beanspruchte wieder sein volles Mimik- und Gestikrepertoire.

Der Abend lieferte alle „Zutaten“ für einen witzig-spritzigen Sommernachtstraum im Herbst frei Haus. Bei einem erlesenen Tropfen aus dem Klosterkeller und niveauvoller musikalisch-literarischer Unterhaltung waren ebenso genussreiche wie kurzweilige Stunden vorprogrammiert. Zum Abschluss der Jubiläums-Festwoche „1000 Jahre Neunburg vorm Wald“ hatte der Kunstverein Unverdorben am 31. Juli das Programm zum „Blauen Montag“ bereits einmal im Programm. Traditionsgemäß gibt es dafür aber auch seit mehreren Jahren im Kloster Ensdorf ein Stammpublikum.

Die „4 Unverdorbenen“ als Hauptakteure des Abends boten eine „Best of“-Auswahl ihrer bisherigen Programme der Jahre 2013 bis 2016 an. Den musikalischen Part übernahmen in bewährter Weise Jürgen Zach (G’stanzln und Bassgitarre), Klaus Götze (Gitarre) und Franz Schöberl (Akkordeon). Zum Entree sangen und spielten sie das bekannte Hannes-Wader-Chanson „Die kleine Stadt“. Rezitator Karl Stumpfi ließ mit seiner Einführung in die Abteilung Satire gleich aufhorchen: „Wir beginnen unser Programm heute Abend nicht, wie man durchaus erwarten könnte, dem Beginn. Nein, wir fangen ausnahmsweise mit dem Ende an, genauer gesagt mit der Endzeit“. Gesanglich mit der Moritat „Mackie Messer“ von Brecht/Weill eingestimmt, trug Stumpfi dann zwei nachdenklich stimmende Texte aus dem Programm „Denk‘ ich an Deutschland“ vor. Damit debütierten die Vier Unverdorbenen im ersten Neunburger Kunstherbst 2013.

Mit „Drei Paragraphen der Weimarer Republik“ hat Bertolt Brecht einen Abgesang auf den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden, zugleich beklemmende Vision eines menschenverachtenden totalitären Systems, geschrieben. Mit der braunen Machtergreifung wurde sie keine zwei Jahre später Realität. Auch der Wiener Literat Polgar hat das finale Siechtum eines Staatsgebildes beschrieben. Die Donaumonarchie existierte immerhin über 600 Jahre. 1918, nach vier Weltkriegsjahren, blutete nicht nur ihre Armee, sondern der ganze Vielvölkerstaat aus. Im selben Jahr entstand die Satire „Musterung“, sozusagen die österreichische Lesart eines im wahrsten Sinne des Wortes Staats-Begräbnisses, voller morbider Stimmung. Darauf hörten die Gäste folgerichtig den Wolfgang Ambros-Klassiker „Es lebe der Zentralfriedhof“.

Die musikalisch-satirische Zeitreise fand ihre Fortsetzung mit einer Fallstudie inklusive Ursachenforschung: Wie wird ein Biedermann zum Brandstifter? Robert Gernhardt schrieb vor 40 Jahren „Der Fall Binder“. Auch nach dem „Kriminaltango“ bewegte sich die Lesung noch eine Weile auf juristischem Parkett. Aus dem „Denk ich an Deutschland“-Programm stammt der Satiretext „Vorschlag zur Strafrechtsreform“. 1967 nahm Hans Magnus Enzensberger in einer Schachtelsatz-Endlosschleife Beamtendeutsch und Stereotypen der Bürokratie trefflich aufs Korn. Die exhibionistischen Anwandlungen eines ehemaligen k.u. k. Marinedieners mit zwei am Hinterteil eintätowierten Schiffen beschreibt Anton Kuh süffisant in der Episode „Das Marinemuseum“. Als Anspielung auf dessen übermäßigen Alkoholgenuss durfte man das abschließende Heurigenlied „Nüchtern bin i allweil schüchtern“ verstehen – eine Reminiszenz an das Blaue-Montag-Programm „Mit freudigem Geifern“ im Kunstherbst 2014.

Urbayerisch starteten die Vier Unverdorbenen in den zweiten Teil  des Abends – musikalisch und literarisch sogar mit einer richtigen Sauerei!  Auf das eingangs vom Trio interpretierte Volkslied „D’Sau hat an schweinern Kopf“ passte wie angegossen ein Kapitel aus dem „Bayrischen Dekameron“ von Oskar Maria Graf. An dessen 50. Todestag erinnerte der Rezitator, bevor er seinen Zuhörern das „Sauohr“ servierte. Bei „Best of Blauer Montag“ durfte natürlich das Intermezzo von Jürgen Zach mit seinen Ensdorfer Gstanzln nicht fehlen.
Karl Stumpfi blendete danach nochmals auf das Programm  „Mit freudigem Geifern“ zurück. Er las daraus zwei Texte zeitgenössischer Satiriker aus der Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren.  Zunächst persiflierte Autor Markus Werner die von Sexual-Volksaufklärern wie Oswalt Kolle forcierte Entdeckung des Neuen Körperkults in seiner „Liebes-Organologie“. Darauf folgte eine tiefenpsychologische Analyse zum unerschöpflichen Thema „Was will die Frau“, von Bernhard Lassahn originell in Versform gepackt. Viel Gelächter auf offener Szene dann auch bei einer Wiener Ballade des vielseitig begabten österreichischen Kabarettisten Fritz Grünbaum, welcher dem „Hausfreund“ eine ellenlange Lobeshymne widmete.

Eine literarische Kostprobe aus dem Programm 2015 „Von komischen Käuzen“ gab es abschließend zum Andenken an Friedrich Torberg, den Chronisten einer untergehenden Epoche, nämlich die der Kaffeehausliteratur. Aus dessen Anekdotensammlung „Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes“ las Stumpfi ein Kapitel über den mürrischen Restaurantbesitzer Herr Neugröschl. Letztgenannter befördert einen widerspenstigen Gast nach kurzem Disput an die frische Luft – und unversehens ereilte den Neugröschl imitierenden Rezitator dasselbe Schicksal.

Auf den langen, kräftigen Applaus anspielend, meinte Karl Stumpfi lapidar: „So sind wir eben, die Vier Unverdorbenen.  Zugaben liefern wir auch unaufgefordert ab“. Gesagt, getan: Nach Tevjes Lied „Wenn ich einmal reich wär“ aus dem Musical „Anatevka“ folgten noch drei „Nachbrenner“ aus dem letztjährigen Programm „Himmlisches und Höllisches“, darunter der „Sperrstunden-Blues“. Dann war’s vollbracht. Kurz vor 22 Uhr fiel der Schlussvorhang über einen traumhaft gelungenen „Blauen Montag“ im Speisesaal des Ensdorfer Klosters.