Fünfte Bibelnacht im Kloster

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Die Bibelnacht im Kloster, die heuer zum fünften Mal stattfand, hatte einen „leicht politischen“ Charakter. Nicht nur, dass politische Gäste eingeladen waren, die ihre eigene Lieblings-Bibel-Stelle vorgetragen haben, sondern es war sichtlich das Bemühen zu beobachten, wirklich „aus der Sakristei“ herauszugehen und eher an die Ränder unserer Welt zu schauen, wie es Papst Franziskus in seiner ganz eigenen Sprache ausdrückt.

Landrat Richard Reisinger zum Beispiel stellte das Magnificat Mariens in den Mittelpunkt seiner biblischen Gedanken: „Es verlangt von mir in meiner politischen Haltung Selbstkontrolle und Mut, wenn es da heißt, dass die Reichen und Mächtigen vom Thron stürzen und die Hungrigen gesättigt werden.“ Bürgermeister Erwin Geitner aus Rieden rückte das Wort Jesu „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ in das Zentrum seiner Überlegungen, weil heute gerade in den modernen Medien zu oft eine unüberlegte Vorverurteilung erfolge. Herr Kratzer, Leiter des evangelischen Bildungswerkes in Amberg, machte darauf aufmerksam, dass der barmherzige Vater dem verlorenen Sohn nicht vorwirft, was er falsch gemacht habe, sondern ihn schon von weitem gesehen habe, ja ihm direkt entgegenlaufe und ihm um den Hals falle – ein wunderbares Gottesbild Jesu. Über zehn Bibelinteressierte gaben in ähnlicher Weise ihre sympathische Bibelstelle zum Besten. So kamen ganz verschiedene Methoden zum Einsatz, wie heute mit der biblischen Botschaft im Evangelium Jesu auch für Menschen von heute sinnvoll und glaubwürdig umgegangen werden kann.

Am meisten hat in dieser Bibelnacht beeindruckt, wie drei engagierte Schülerinnen vom Max-Reger-Gymnasium in Amberg ihren eigenen Poetry-Slam-Text vorgetragen haben. Darin waren sehr anspruchsvolle Gedanken über den Sinn des Lebens und über das „Mantra moderner Zeitgenossen“. Abwechselnd zu dritt brachten sie vor den rund 60 Teilnehmern in der Hauskapelle des Klosters nachdenkliche Verse wie „Reue – eine Zeitverschwendung ohne Gleichen, für die sich kein Mensch mehr wagt zu erweichen“. Die evangelische Auferstehungsgemeinde in Amberg mit Pfarrer Arweck trug die bekannte biblische Geschichte vom barmherzigen Samariter ganz aktuell und direkt vor, so dass es unter die Haut ging: Der Priester geht an dem drogensüchtigen Junkie vorbei, aber der verhasste Samariter von damals springt ein und hilft dem total heruntergekommenen Zeitgenossen. Es war ein trefflicher Beitrag zum derzeitigen Jahr der Barmherzigkeit in der katholischen Kirche: live ohne Worte. Papst Franziskus wurde sogar vom linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gelobt, der ihn als Vorbild für jeden Politiker hinstellte, der heute in der Flüchtlingsfrage Entscheidungen fällen muss. „Seine allererste Auslandsreise war die nach Lampedusa, zu den Gestrandeten an die Grenzen Europas“.

Den musikalischen Rahmen bildete ein Saxophon, von Jannis Fischer sehr einfühlsam und melodiös für diese biblische Runde gespielt. Ein Kinderchor aus Schwandorf von der dortigen Immanuelgemeinde mit Frau Dodson sang die beiden Lieder „Gott fragt Dich und mich!“ und „Alles was ich habe und ich bin, ist Gabe und Geschenk von meinem Gott!“ Sie brachten zum Ausdruck: das Reich Gottes ist nur da, wo du selber mit dem Geiste Jesu unterwegs bist. Im Video-Film-Teil wurde das bekannte Wort des römischen Hauptmanns von Kafarnaum aus dem Zeffirelli-Jesus-Film vorgeführt: „Herr, ich bin doch nicht würdig, dass du eingehest unter mein Dach.“ Pater Alfred Lindner, Initiator der Ensdorfer Bibelnächte, zeigte Aufnahmen vom Leipziger Katholikentag und Eindrücke aus Rom von der Pilgerfahrt mit Bischof Rudolf Voderholzer. Darunter war auch ein Interview, in dem Staatsministerin Emilia Müller aus Bruck bei Schwandorf zu ihrer Lieblings-Bibelstelle gefragt wurde. Sie meinte ganz persönlich, dass das bekannte Wort „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan“ für jeden Politiker eine Richtschnur seines verantwortlichen Handelns sein kann, ja sein müsse. „Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie wir mit den Schwächsten umgehen.“

Der Evangelist Lukas ist in Person von Pater Lindner aufgetreten und hat versucht zu erklären, warum er sein Evangelium geschrieben hat. „Markus und Paulus wissen wenig vom historischen Jesus. Deswegen wollte ich ganz deutlich aufschreiben, was dieser Jesus wirklich gepredigt und getan hat, damit Gläubige bis ins 21. Jahrhundert hinein – was wird das denn für eine Welt dann sein? – sich darauf verlassen können und keinem Schwindel ausgeliefert sind.“

Mit einem ganz gemütlichen Ausklang – würziges Bibelbrot und klösterlichen Honig-Met-Wein – ging diese fünfte Bibelnacht in Ensdorf zu Ende. Kommendes Jahr wird eventuell Bischof Rudolf Voderholzer kommen, wenn dann dieser jährliche intensive Ensdorfer Bibel-Abend wieder in der neu renovierten barocken Asam-Pfarrkirche St. Jakobus stattfinden kann. Nicht wenige meinten spontan am Schluss: „Das waren sehr viele verschiedene biblische Beiträge, aber zwei oder drei davon könnten wir ja auch mal in unserer eigenen Pfarrei zuhause anbieten, das wäre toll“.