Eines der ältesten vollständig erhaltenen Bauwerke Bayerns

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Die aufwändige Sanierung des Ensdorfer Wahrzeichen Stephansturm ist endlich abgeschlossen. „Ich bin stolz darauf, dass sich unser Stephansturm jetzt wieder so präsentiert, wie ihn seine Erbauer im Jahr 1075 errichtet haben“, freut sich Bürgermeister Markus Dollacker.

Und Archäologe Dr. Mathias Hensch sagte bei der vorausgehenden Untersuchung des Turms: „Die Gemeinde Ensdorf besitzt mit dem Stephansturm eines der ältesten vollständig erhaltenen Bauwerke Bayerns und ein fast 1000 Jahre altes Zeugnis christlichen Lebens in der mittleren Oberpfalz. Die Sicherung und Erhaltung dieses überregional bedeutenden Bauwerkes muss ein wichtiges Anliegen aller an der Sanierung beteiligten Institutionen und Personen sein.“

Isabel Lautenschlager vom Heimat- und Kulturverein Ensdorf hat anlässlich des Abschlusses der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten einen Flyer zu Geschichte, Bau und Sanierung erstellt. Darin stellt sie fest: „Das Ensdorfer Wahrzeichen Stephansturm – einer der ältesten freistehenden Kirchtürme Bayerns – wurde um 1075 erbaut. Dies ergaben dendrochronologische Untersuchungen (Untersuchungen von Jahresringen) an im Turm noch befindlichen Resten eines Bauinnengerüstes.“

Geschichte

Ensdorf ist eines der ältesten Klöster der Oberpfalz. Die Herren von Pettendorf-Lengenfeld-Hopfenohe waren in dieser Region sehr begütert und hatten im 11./12. Jahrhundert großes politisches und wirtschaftliches Gewicht. Tochter Heilika und ihr Mann Pfalzgraf Otto von Wittelsbach gründeten 1121 das Ensdorfer Benediktinerkloster. „Der Stephansturm ist nach Expertenmeinung ein letztes Überbleibsel einer Ansiedlung, die bereits vor der Klostergründung bestand. Ensdorf muss damals also wohlhabend gewesen sein und eine wichtige Funktion in der Politik der Region gehabt haben, sonst hätte es hier zu dieser Zeit keine Kirche aus Stein gegeben.“ Bauhistorische Untersuchungen haben ergeben, dass der Turm von Anfang an ein Glockengeschoss mit wahrscheinlich mehren Glocken gehabt hat. Dies ist ein weiterer Hinweis auf den Reichtum der Erbauer und der Region im verkehrswichtigen Vilstal.

Der Turm gehörte zur früheren Pfarrkirche St. Stephan. Ärchäologische Untersuchungen in den letzten Jahren haben ergeben, dass es um den Stephansturm drei zeitlich aufeinander folgende Kirchenbauten gegeben haben muss. Der erste Bau stammte aus dem 10. Jahrhundert und der Stephansturm wurde dann als echter Campanile freistehend daneben gesetzt. Für das 12. und 14. Jahrhundert konnten zwei weitere Kirchen nachgewiesen werden. Die letzte Kirche stand bis zur Säkularisation als 1805 bis dann die Pfarrkirche St. Stephan mit ihrem Turm an den Bayerischen Staat fiel. Der Kirchenbau wurde 1805 abgebrochen, als die Klosterkirche St. Jakobus zur Pfarrkirche wurde. Der Turm blieb stehen.

Im Kataster der Steuergemeinde Ensdorf findet sich 1806 ein Eintrag, dass die politische Gemeinde die „alte Pfarrkirche dermal demoliert“ von der vorigen Landesregierung um 104 Gulden ersteigert hat. 1843 beschloss die Gemeindeversammlung, „dass der Schutt der alten eingegangenen Kirche weggeräumt und der Kirchhof (Friedhof) aufgeschüttet und eingeebnet werden muss“. 1845 geschah dies dann. Der Turm blieb erfreulicherweise stehen. 1863 war dann von Seiten des königlichen Bezirksamts Amberg von Baufälligkeit des Turmes die Rede. Im Bericht der Baubehörde dazu heißt es: „Der Turm (hat) rücksichtlich eines Baustiles … keinen Wert.“ Isabel Lautenschlager: „So fiel der Stephansturm in einen Dornröschenschlaf, der fast 150 Jahre dauern sollte.“

Zum Bau

Im Vorfeld notwendiger Erhaltungsmaßnahmen wurden am Stephansturm archäologische und bauforscherische Untersuchungen vorgenommen. Der Turm im alten Friedhof in der Dorfmitte ist 21 Meter hoch, allerdings liegt das ursprüngliche Fußbodenniveau 1,8 Meter unter dem heutigen. Nachweislich wurde der Turm inklusive Glockenstube in einem Zug erbaut. Der Treppengiebel stammt allerdings aus späterer Zeit. Ursprünglich deckte ein Pyramidendach den Turm.

Der übrige Turm ist mit Ausnahme von später durchgeführten Umbaumaßnahmen mit einem einheitlichen Steingefüge errichtet. Die verwendeten Materialien weisen auf eine ausgereifte Bautechnik und damit auf besonders sachkundige Baumeister hin. Die für die Abmauerung der Fensterbögen benötigten Schalhölzer wurden durch gespaltene und halbrund gebogene Weiden- oder Haselruten gehalten, die sich teilweise bis heute erhalten haben. Als Stilelement und als deutliche Abtrennung zwischen den Turmmauern und den großen Öffnungen wurde ein Sandsteinband eingebaut. Dieses war auch deutlich in der Farbe abgesetzt.

Der Turm wurde in der Erbauerzeit mit der „pietra rasa“ Technik überschlämmt. („Pietra rasa“ bedeutet „verstrichener Stein“. Der nach dem Aufsetzen des Steins aus der Fuge hervorquellende Mörtel wurde verstrichen, wobei unter Umständen große Teile des Bruchsteins abgedeckt wurden). Dies war vom ersten Tag an notwendig, da der verwendete Kalkstein nicht frostfest ist. Der verwendete Kalkstein wurde wohl aus einem Steinbruch vilsaufwärts abgebaut, weil das Baumaterial dann auf dem Wasserweg zur Baustelle in Ensdorf gebracht werden konnte   

Sanierung

Ende der 1990-er Jahre machten sich die „Freunde des Stephansturms“ sich zur Aufgabe, auf den schlechten Zustand des Stephansturms aufmerksam zu machen und seine Restaurierung vorzubereiten. Bei verschiedensten Aktionen wurden Spenden gesammelt. Durch diese war es 2003 möglich, eine hölzerne Innentreppe einzubauen. Diese war die Voraussetzung für die späteren baulichen Untersuchungen und schließlich die Sanierung des Turmes.

Der Gemeinderat Ensdorf beschloss in seiner Sitzung am 12. März 2009 die Restaurierung des Stephansturms und der Friedhofsmauer. Am 14. Mai 2009 erfolgte die Auftragsvergabe. Unverzüglich wurde mit den Arbeiten begonnen.

In den Jahren 2009/2010 erfolgte dann die vollständige Restaurierung des Stephansturmes. Reste vom historischen Kalkanstrich konnten eindeutig nachgewiesen werden. Im Laufe der Jahrhunderte war der Turm in der Gotik und der Barockzeit verputzt worden. Der Putz aus der Gotik konnte an einigen Stellen erhalten und gesichert werden, der größte Teil des Barockputzes war nicht mehr zu halten. Auch im frühen 20. Jahrhundert wurde der Turm nochmals verputzt oder der vorhandene Putz ausgebessert worden. An den Stellen, die lange Zeit nicht verputzt waren, waren die Steinschäden deutlich zu sehen. Diese Steine wurden ausgebessert oder ersetzt.

Die historischen Einmauerungen der eingelassenen Gerüsthölzer wurden freigelegt,  gesäubert und mit neuen Lärchenholzabschnitten verschlossen. Besonders gut erhaltene Hölzer wurden frei gelassen. Der Höhenstand von rund 1,70 Metern weist auf die Größe der Arbeiter im Jahr 1075 hin. An vielen Beriechen des Turmes wurden Fehlstellen im Mauerwerk durch „falsche“ Steine (Ziegel, Klinker) im Laufe der Jahrhunderte ersetzt. Diese wurden nun wieder berichtigt und mit Kalkstein ausgemauert.

Mit Ausnahme der Dachform und des Giebels präsentiert sich der Stephansturm nun wieder in der Form, in der er 1075 von seinen Erbauern konzipiert war. „Die sich auf 303000 Euro konzipierten Gesamtkosten für Sanierung und Restaurierung einschließlich der Friedhofsmauer hätte die Gemeinde alleine niemals stemmen können. Landesamt für Denkmalpflege, Bayerische Landestiftung, Bezirk Oberpfalz, Katholische Kirchenstiftung und die große Hilfe der Freunde des Stephansturms erst ermöglichten es der Gemeinde Ensdorf, die Sanierung unseres Wahrzeichens Stephansturm zu stemmen“, betont Bürgermeister Dollacker.