Das Vilstal in der Mittelsteinzeit

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Das Gebiet um Ensdorf war bereits in der späten Altsteinzeit vor rund 12000 Jahren besiedelt. Dies beweisen Funde am Fuße der so genannten Steinbergwand am Westhang des Vilstales zwischen Leidersdorf und Ensdorf, einer mächtigen Dolomitfelsgruppe, etwa 15 Meter über der Vils. Die Stenbergwand liegt direkt am Vilstal-Rad- und Wanderweg, einem Teil des Fünf-Flüsse-Radweges.

Im Jahr 1930 machte dort Salesianerpater Dr. August Pils mit zwei Novizen eine überraschende Entdeckung. Bei Grabungen stießen sie auf eine Schicht mit mittelsteinzeitlichen Steinwerkzeugen. Auf Einladung von Pils führte der Ansbacher Heimatforscher Karl Gumpert dann noch im selben Jahr eine zweiwöchige Gra-bung durch. Der Grabungsbefund mit zahlreichen Steinwerkzeugen wie Pfeilspitzen, dreieckigen Geräten aus Hornstein und Werkzeugen aus Knochen ergab, dass es drei Hauptbesiedelungszeiträume gab: Späte Altsteinzeit (Magdalenien) vor rund 12000 Jahren, die Hauptnutzungszeit in der Mittelsteinzeit (Tardenoisien) etwa 7000 bis 5000 v. Chr. und in der Hallstattzeit (750 bis 500 v. Chr.). Letztere Besiedelung bezeugen gefundene Tonscherben. Die Ergebnisse der Grabungen fanden bei den Fachleuten der Vorgeschichte große Beachtung. Durch die hier noch ungestörten Schichten konnten wichtige Erkenntnisse für die Mittelsteinzeit gewonnen, in der sich in Süddeutschland das Tardenoisien als selbständige Kultur ausgebildet hat.

Der Platz war nicht durchgehend besiedelt, denn die Jäger und Sammlerinnen der Alt- und Mittelsteinzeit wechselten regelmäßig ihren Standort. An der Steinbergwand fanden sie eine vorspringende Felswand vor, die Schutz bot. Wahrscheinlich war dem Felsdach eine Hütte vorgelagert. Vermutlich aus Stangen und Flechtwerk. Nachgewiesen sind zwei Herdstellen. Der „Winterherd“ wohl innerhalb der Hütte nahe an der Felswand, und der „Sommerherd“ weiter außerhalb.

Bereits vor einem Jahr wurde auf Vorschlag des Heimat- und Kulturverein Ensdorf  das Umfeld der Steinbergwand, die zum Naturpark Hirschwald gehört, zum Teil neu gestaltet und renoviert nachdem schon 2008 durch Freistellungsmaßnahmen der Blick auf das Natur- und Bodendenkmal eröffnet worden war. Beim südlichen Zugang wurde eine Treppe erneuert, am nördlichen Zugang der Grabungsschuttkegel aufgebrochen. Das abgebrochene Material wurde dazu benutzt, eine gleichmäßig abfallende Strecke zum Feldweg zu schaffen. Sie bietet nun einen Zugang für Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Endlich sind nun auch die Informationstafeln in deutscher und englischer Sprache für die Steinbergwand fertig. Sie sind Bestandteil des einheitlichen Informationskonzeptes des Naturparks Hirschwald.

Ensdorfs Bürgermeister Markus Dollacker freut sich, dass dieser historisch so bedeutsame Ort – er ist der älteste Nachweis der Besiedelung im Landkreis Amberg-Sulzbach – im Zusammenwirken mit dem Ensdorfer Heimat- und Kulturverein nun wieder schön gestaltet ist. Neben der Informationstafel, konzeptionell und textlich von Isabel Lautenschlager und Philipp Roidl vom Heimat- und Kulturverein Ensdorf sowie Richard Lehmeier vom Naturpark Hirschwald e. V. gestaltet, hat der Ensdorfer Künstler Siegfried Link auf Tusche und Papier eine steinzeitliche Familie gezeichnet, die vom Grafikbüro Leon aus Pottenstetten auf eine durchsichtige Scheibe aus Plexiglas übertragen wurde. Das Besondere: Wenn man im richtigen Winkel und dem passenden Abstand die fünfköpfige Steinzeitfamilie am Feuer betrachtet, sieht man durch die transparente Scheibe die wirkliche Steinbergwand. Realität und Grafik verschmelzen miteinander.

Tafeln mit weiteren Informationen

Die Informationstafel in deutscher und englischer Sprache gibt unter dem Logo des Naturpark Hirschwald nicht nur Auskunft über die Entdeckung im Jahr 1930 mit Originalfotos von der damaligen Grabung sowie Abbildungen mehrerer Fundstücke – einige werden demnächst noch in Plexiglaskästen am Rande der Tafel ausgestellt - und die Hauptbesiedelungszeiten sowie das Lager im Schutz der vorspringenden Felswand. Sie informiert auch über „Das Vilstal in der Mittelsteinzeit“ und den „mittelsteinzeitlichen Speisezettel“ sowie die „Funde von der Steinbergwand“: Ausgedehnte Waldgebiete traten an die Stelle der Tundren- und Steppenvegetation. Die neuen jagdbaren Tiere (Hirsch, Reh, Elch, Auerochs, Wildschwein) zogen in kleineren Gruppen umher, nicht in großen Herden. Auch der Fischfang leistete einen bedeutenden Beitrag zum Speisezettel. So wurde eine neue Jagdtechnik für die Einzeljagd mit spezialisierten, treffsicheren Waffen erforderlich: Pfeil und Bogen, Wurfspeere, Harpunen mit kleinen, sorgfältig geschärften Spitzen. Dies spiegelt sich in den Funden aus dieser Zeit: charakteristisch für die Mittelsteinzeit sind sehr kleine, oft dreieckige Geräte aus Hornstein (Silex), die als Einsätze für die Spitzen der Pfeile, Speere und Harpunen dienten. Auch Werkzeuge aus Knochen (Ahlen, Nadeln) wurden hier gefunden. Auf dem Speisezettel der Menschen der Mittelsteinzeit standen außer den erwähnten Großwildarten und Fischen auch verschiedene Vogelarten sowie Fuchs, Dachs, Maulwurf, Fledermaus u. ä. Aber bis zu 40 Prozent der Nahrung wurde gesammelt: Beeren, Nüsse und Vogeleier.

Zahlreiche Funde von der Steinbergwand bei Ensdorf können im Amberger Stadtmuseum besichtigt werden.