Wirtshaussterben in Ensdorf V

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Und wie ging es im neuen Jahrtausend weiter? War die „tödliche Seuche Wirtshaussterben“ in der Gemeinde endlich besiegt? Keineswegs. Sie forderte neue Opfer.

Am 1. Juli 2003 raffte sie das „Gasthaus Winkler“ an der Staatsstraße 2165 (Vilstalstraße) in Leidersdorf dahin. Lange Jahre war es Treffpunkt von Fernfahrern. Früher gab es auf der anderen Seite der Straße sogar einen herrlich schattigen Biergarten neben dem Bierkeller. Der fiel aber schon lange zuvor dem Straßenbau zum Opfer. Letzter Pächter des Wirtshauses an der heute viel befahrenen Staatsstraße war Garcia Lopez Pedro, der mit spanischen Spezialitäten im von ihm benannten „Don Quijote“ sein Glück versucht hatte. Allerdings nicht lange.

Von 1965 bis 1975 waren Albert und Resi Scherer die Wirtsleute in Leidersdorf, davor schon 40 Jahre die Mutter von Frau Scherer, Walburga Richthammer. Bis 1975 wurde täglich „ausgekocht“, also gab es Mittagessen und auch Abendessen. Gut bürgerlich und deftig. Alles drei Wochen gab es Schlachtschüssel. Das wussten viele Fernfahrer, heute nennt man sie ja Trucker, zu schätzen und kehrten nicht nur dazu gerne in dem Gasthaus ein, machten Brotzeit oder Aßen zu Mittag. Andere übernachteten in den fünf Fremdenzimmern. „Der Stammtisch war immer voll. Auch die DJK war nach fast jedem Spiel vertreten. Da war die Bude voll“, erinnert sich Albert Scherer. „Es war eigentlich ganz schön.“

Nach einigen Pächterwechseln übernahmen 1977 Roswitha und Anton Giovagnoli das Wirtshaus am der Straße als „Bienenhäusl Leidersdorf“ und betrieben es bis zum Jahr 2000. Während Roswitha jeden Tag in der Küche stand und leckere Speisen zubereitete, lockte Imkermeister Anton für besondere Gäste an: Viele Busse mit Imkern informierten sich bei ihm, suchten seinen sachkundigen Rat. Er organisierte „Bildung und Urlaub für Imker“. Das Imkerstüberl war nicht nur vom regionalern Imkerverein, sondern auch überregional gut besucht. Aus der Küche kamen Spezialitäten, die mit Honig in allen Variationen zubereitet worden waren. Dazu wurde auch auf Wunsch Honigmet zur Verdauung kredenzt. Eine weitere begehrte Spezialität war das „Steak vom heißen Stein“

Vorläufig letztes Opfers der tödlichen Seuche „Wirtshaussterben“ in der Gemeinde Ensdorf: Gasthaus „Weißbacher“ der Familie Roidl. Es schloss nach 75 Jahren am 2. Oktober 2009.

Noch 1972 war das Wirtshaus umgebaut, ein großes Nebenzimmer angebaut worden. 1981 starb Wirt Philipp Roidl. Anschließend betrieb seine Ehefrau Mariechen die Gaststätte bis 1999. Dann übernahm Tochter Martina „das Regiment“, auch in der neuen Küche. Sie hatte schon zuvor viel geholfen und gearbeitet. Im elterlichen Betrieb lernte sie auch Hauswirtschaft.

„Der Weißbacher“, wie das Lokal kurz genannt wurde, war lange Zeit das Vereinslokal des Briefaubenvereins „Vilstalbote“, des Männergesangvereins Ensdorf, des Wandervereins Ensdorf und der Blaskapelle Ensdorf. Der Stammtisch „Hatzldeck“ hatte bis zum Schluss dort sein Domizil. Vor allem junge Leute fühlten sich bei Wirtin Martina besonders wohl Berühmt waren in den 70er Jahren die „Berglertreffen“ zu Pfingsten und die Abende und Morgenstunden mit den „Turmbauern“. Bekannt war die gut bürgerliche Küche des „Weißbacher“. Fisch- und Rehessen waren berühmt. Enten wurden ausgekartelt. Neben vielen Stammgästen war er auch Anlaufstelle für viele Schafkopfbrüder und Neunerl-Fans.

In den Toiletten „funkte“ ein Stammgast. Einmal wurde die Kopfwunde eines anderen von einem Stammgast „verarztet“. Zwei andere „dirigierten“ gerne auf dem Tisch mit einer Flaschenbürste als Dirigentenstab. Viele erinnern sich noch gerne an den „schnupfenden Wirt“ Philipp, der stets für frische Luft sorgte, denn sein erster Griff, wenn er das Lokal betrat, galt dem Einschalten der Lüftung.

„Bei Treibjagden war es immer lustig“, berichtet Wirtin Martina Bieber. „Das dumme Gerede von Angetrunkenen konnte einem schon auf den Geist gehen. Andere schliefen am Tisch ein oder ‚golferten’. Ein Dorfwirtshaus hat viele Psychiater ersetzt, vor allem für Junggesellen. Doch Dorfwirtshäuser werden immer weniger“, stellt sie nüchtern fest und kritisiert „übertriebene Hygienevorschriften“. „Ich hätte gern noch ein paar Jahre weitergemacht. Doch gesundheitlich hat mir das Wirtshaus nicht gut getan. Außerdem ist ein Dorfwirtshaus ein Hobby für eine Familie, nicht für eine Einzelperson. Allein packt man das nicht. Zudem immer dieselben Leute zehn Stunden und länger am Tag. Bei einem Familienbetrieb ist das anders, da kann man sich abwechseln.“