Ausstellung "Zwangfrei" im Landratsamt

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

„Zwangfrei“ heißt die Ausstellung von Bildern und Skulpturen von Gerd Seidel im Foyer des Landratsamtes (Zeughausgasse) und im Überbau der Stadtbrille. Die Vernissage wurde musikalisch umrahmt von der „Fletz Musik“ mit Harfe und Hackbrett von Ulrike Märkl-Richter und Markus Märkl aus Püchersreuth. Hubert Zaramba vom Landratsamt wünschte weiter viel Erfolg und Kreativität. Kunsthistorikerin Petra Lorey-Nimsch aus Regensburg übernahm den Part der Laudatorin.

„Zwangfrei“ hat der Künstler seine Ausstellung betitelt. „Die Kunst braucht Freiräume, um ihre vollkommene Kraft zu entfalten zu können. Zwangfrei bedeutet, in einer Atmosphäre der völligen Freiheit zu arbeiten, ohne ein: du musst, du sollst oder du hast zu tun. Keine zwanghafte Einmischung von außen. Nur so hat das künstlerische Tun seine Berechtigung“, erklärt dazu der Künstler. Und die Laudatorin ergänzt: „Doch es sind nicht nur äußere Zwänge, auch Zwänge, denen sich Künstler selbst aussetzen können, sei es im Hinblick auf ein bestimmtes Ergebnis oder auf überfrachtete Inhalte. Es ist eine schmale Gratwanderung von zwangfrei zu zwanghaft frei.“

„Gerd Seidel, ein echter Sohn der Region, wurde 1958 in Haselmühl geboren und beschäftigt sich schon von Kindesbeinen an mit dem Zeichnen und Malen. Dennoch wählte er einen ‚anständigen Beruf’, jenseits der der so genannten ‚brotlosen Kunst’ – er wurde Zahntechniker“, so die Kunsthistorikerin. „Autodidaktisch experimentierte er als Jugendlicher mit verschiedenen Techniken und hatte 1974 als16-jähriger die Möglichkeit, eine Ausstellung in Amberg mit anderen Künstlern zu gestalten. 1977 – Seidel hat seinen Arbeitsschwerpunkt auf das Aquarellieren verlegt – hat er seine erste Einzelausstellung in Amberg. Kurse in Radierung und Aquarellieren bei Ulrike Lauter und Achim Hüttner im Jahr 1980, ein Bildhauerkurs bei Sabine Mädl 1995/96, sowie Modellierkurse bei Adolf Kraft in den Jahren 1998/2000 bilden seine handwerklichen Grundlagen und bereichern seine eigenen autodidaktischen Fertigkeiten. Die obligatorischen Studienreisen in die Toskana sind ebenso Quell der Inspiration wie eine Reise ins Burgenland. Ab 1998 entstehen zahlreiche Terrakotten und erstmals auch großflächige Bilder in Acryl, effektvoll gespachtelt und mit Modelliermasse verstärkt. Zunehmend werden ab 2002 aus den Acrylbildern Collagen mit aufmontierten Naturobjekten und Fundmaterialien. 2004 gründet der in Ensdorf lebende Künstler mit Gleichgesinnten die „Ensdorfer Künstlergruppe“ und gestaltet dort auch regelmäßig deren gemeinsame Gruppenausstellungen im Kloster Ensdorf. Die Abstraktion steht ab 2004 im Vordergrund von Seidels künstlerischem Schaffen und der Amerikaner Jackson Pollock und der österreichische Aktionskünstler Herrmann Nitsch werden Vorbilder und beeinflussen ihn stark. „Allerdings ist es bei Gerd Seidel die von Intuition frei geführte Hand, die spritzt, streicht, spachtelt – ganz intuitiv, locker und zwangfrei!“, so die Laudatorin.

„Ein Aktkurs bei Veronika Zyzik im Jahr 2007 an der Akademie Faber-Castell holt Gerd Seidel zurück in die Welt des Gegenständlichen. Jedoch nimmt er sich nicht den klassischen Realismus in seinen plastischen Werken zum Vorbild, sondern orientiert sich künstlerisch  mehr an Alberto Giacometti und seinen stelenartigen Gestalten von expressivem Ausdruck. Die Fragmentierung und die Zerlegung der Oberfläche in diese typischen, lavaartigen Strukturen erreicht Seidel in einer von ihm entwickelten eigenständigen Technik. Hier verschmilzt die Experimentierfreude des Künstlers mit seinen handwerklichen Fähigkeiten als Zahntechniker: Gerd Seidel wählt ein ihm vertrautes Medium – Gips. Er umwickelt ein Drahtgerüst mit Gipsbinden, die anschließend mit Bronze bemalt und mit Pigmenten patiniert werden“, erklärt Kunsthistorikerin Petra Lorey-Nimsch. „Gerd Seidel scheut sich nicht, komplexe und heikle Themen aufzugreifen.“

Und was sagt der autodidaktische Künstler Gerd Seidel selbst? „Ich habe eine starke Ausprägung zum Experimentieren und bin immer auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksweisen. Impulse erhalte ich im Gespräch mit meinen Künsterkollegen/innen und vom Besuch vieler Ausstellungen. Wichtig dabei sind neben dem Gesamteindruck, auch die technische Ausführung und die Malweise der großen Meister von großem Interesse. Hier erhalte ich wichtige Informationen und Impulse, die mich in meiner Entwicklung voranbringen. Alle Bilder, die einen Titel tragen, haben ein Thema, das ich künstlerisch umgesetzt habe. So zum Beispiel ‚Im Namen Gottes’, das sich mit der Gewalt auseinandersetzt, die von religiösen Fanatikern ausgeht. Es soll zeigen, dass im Namen Gottes menschenverachtende Gewalttaten le-gitimiert werden. Auch das Werk ‚Politik’ ist so ein Beispiel. In diesem Werk wird das Chaos angeprangert, das im politischen Geschehen in Deutschland vorherrscht. Rot-Schwarz-Grünem Chaos geben die Gelben (FDP) auch noch ihren liberalen Senf dazu und die schwammigen Positionen tragen auch nicht dazu bei, Vertrauen in die Politik zu erhalten. Im Themenbild ‚Blutbild’ wird ein Begriff aus der Medizin verfremdet und künstlerisch umgesetzt. ‚Das rote Quadrat’ ist ein Werk, das an einem heißen Sommertag entstand. Der Witterung noch einige Zeit ausgesetzt, erhält die Oberfläche eine gewisse Patina, die aufzeigt, welche kreative Kraft in der Natur stecken kann. Sie zerstört, aber schafft auch Neues.“

Die Ausstellung „Zwangfrei“ des Ensdorfer Künstlers Gerd Seidel ist bis zum 22. Mai im Foyer des Landratsamtes Amberg-Sulzbach (Zeughausgasse) und im Überbau der Stadtbrille montags bis freitags von 8.00 bis 17.00 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen.

Kontakt: Gerd Seidel, Steinäcker 9, 92266 Ensdorf, Tel. (0 96 24) 27 11, Home: www.kunstwerkstatt-ensdorf.de, E-Mail: kunstwerkstatt.gerd.seidel (at) gmx (dot) net.